Bei der Energiewende im Fischereisektor geht es nicht nur um die Reduzierung von Emissionen und die Bekämpfung des Klimawandels, sondern auch darum, dass der Sektor auf der globalen Bühne wettbewerbsfähig und langfristig widerstandsfähig bleibt. Die Veranstaltung im Rahmen der EU Ocean Week wurde von ClientEarth, Oceana und Seas at Risk organisiert und fand am Donnerstag, den 3. Oktober 2024, zur Mittagszeit im Ausstellungsraum von Talk CEC, 141-143 Chaussée de Wavre, 1050 Ixelles, Brüssel, statt. Adam Weiss, European Director Programs von ClientEarth, moderierte die Sitzung und eröffnete das Gespräch mit einem Paukenschlag: Während viele Menschen nach Möglichkeiten suchten, ihre CO2-Emissionen und ihren Materialverbrauch zu reduzieren, hatte der Europäische Rat, der die EU-Mitgliedstaaten vertritt, gerade einen Vorschlag für weitere 20 Jahre Steuerbefreiung für Fischereikraftstoff veröffentlicht! – Das genaue Gegenteil des Mandats, das der Welthandelsorganisation (WTO) erteilt wurde, um schädliche Fischereisubventionen zu beenden, die Überkapazitäten und Überfischung mit öffentlichen Mitteln finanzieren.
Die Podiumsteilnehmer brachten sich sofort in die Debatte ein – angefangen mit Caroline Roose, ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments und Mitglied des Fischereiausschusses, die auf den Energiefahrplan 2050 der Europäischen Kommission als einen wichtigen Schritt in Richtung Dekarbonisierung verwies. Was den Fischereisektor betrifft, so wäre eine der Maßnahmen mit vielen positiven Auswirkungen die Beendigung der Schleppnetzfischerei in ausgewiesenen Meeresschutzgebieten. Sie erinnerte die Zuhörer daran, dass die Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) eine Reihe guter Maßnahmen beinhalte.
Darunter Artikel 17, der die Mitgliedstaaten (MS) auffordere, Fischereirechte nach ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Kriterien zu vergeben, anstatt historische Rechte der Industriefischerei zu zementieren, wie es die meisten MS tun. Der genannte Artikel bestärkt die Mitgliedstaaten ausdrücklich darin, „Anreize für Fischereifahrzeuge zu schaffen, die selektive Fanggeräte einsetzen oder Fangtechniken mit geringeren Umweltauswirkungen wie geringerem Energieverbrauch oder geringerer Schädigung von Lebensräumen verwenden“. Katalonien hat bereits 10 % der Fangtage der umweltschonenden Fischerei zugewiesen. Aber es könnte und sollte noch viel mehr getan werden.
Didier Gascuel vom Agrocampus Ouest in Rennes, Frankreich, wies auf den großen ökologischen Fußabdruck der europäischen Fischereiflotten in Bezug auf Jungfische, Kraftstoffverbrauch und damit verbundene CO2-Emissionen hin. Der Anteil der Beschäftigung ist dagegen im Vergleich geringer. Auf die Schleppnetzfischerei entfielen 64 % der CO2-Emissionen, aber nur 40 % der Fänge. Das bedeutet, dass für ein Kilogramm mit dem Schleppnetz gefangenem Fisch etwa 2 Liter Treibstoff benötigt wurden, was 3 bis 5 kg CO2 entspricht. Umgekehrt verursachten handwerkliche Fischer, die passive Fanggeräte verwenden, für die gleiche Menge Fisch 1 kg CO2 oder weniger. Er merkte an, dass die Reduzierung der Grundschleppnetzfischerei bereits im Gange sei, da diese zunehmend unrentabel sei, weil sich die Anlandungen in den letzten 15 Jahren halbiert hätten. Viele Schiffe seien nur noch dank öffentlicher Subventionen im Einsatz. Obwohl sie heutzutage nur noch einen kleinen Prozentsatz der europäischen Anlandungen ausmachen, seien die handwerklichen Fischer meist rentabler und hätten einen höheren Mehrwert bei ihren Fängen.
Didier warnte jedoch, dass die SSF von dieser Situation nicht profitieren würde, wenn sich die derzeitige Politik zugunsten der industriellen Fischerei nicht ändert. Er empfahl nachdrücklich, auch bei Schiffen mit einer Länge von über 12 Metern, die weiter vor der Küste fischen, auf schonende Methoden zu setzen. Dekarbonisierung und andere Maßnahmen zur Regeneration sollten nicht zu mehr Importen führen. Friederike Ziegler von den RISE-Forschungsinstituten in Schweden fragte, wie die Fischerei im Jahr 2050 aussehen werde. Sie bekräftigte Didiers Botschaft, dass die Größe der Fischereifahrzeuge nicht das wichtigste Kriterium sei, sondern dass sichergestellt werden müsse, dass die Fischerei ihre Umweltauswirkungen minimiere. Sie argumentierte, dass die wirksame Anwendung der Regeln und Vorschriften der reformierten GFP die Fischerei mit geringen Umweltauswirkungen fördern, den Einsatz neuer Brennstoffe begünstigen und die Wiederherstellung der Ressourcen ermöglichen sollte.
Brian O’Riordan, Senior Policy Adviser von Low Impact Fishers Europe (LIFE), erinnerte daran, dass etwa 3 % der weltweiten CO2-Emissionen auf den Fischereisektor entfallen. Angesichts des schlechten Zustands der Bestände stammten 40 % der importierten Fische und Fischereierzeugnisse aus sozial und ökologisch fragwürdigen Quellen. Die Gesamteinfuhren machten 70 % des Verbrauchs aus. Er bedauerte, dass Europa keinen klaren Plan für die Fischerei der Zukunft habe. Um die gesamte EU-Region aus ihrer fast vollständigen Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu befreien, sei ein gut durchdachter Übergang erforderlich. Der Erfolg erfordere einen differenzierten Ansatz. Derzeit würden nur 3 % des Fischereifonds über die lokalen Aktionsgruppen für die Fischerei (FLAG) investiert – mit guten Ergebnissen. In dem stark konzentrierten Nahrungsmittelsektor könne es gerechtfertigt sein, Erzeugerorganisationen zu unterstützen, damit die handwerkliche Fischerei bei der Erzeugung von hochwertigem Fisch nachhaltig und wettbewerbsfähig sei. Brian sprach sich dafür aus, dass die 12-Meilen-Zone in den nationalen Gewässern für nachhaltige Fischerei im Rahmen eines Co-Management-Systems reserviert werden sollte. Dies würde die lokalen nachhaltigen Lebensmittelsysteme stärken. Er gab auch zu bedenken, dass der Fischkonsum in Europa mit 24 kg pro Kopf recht hoch sei. Etwas weniger, dafür aber in besserer Qualität, wäre einer gesunden Ernährung zuträglicher als die derzeitige Betonung der Quantität. Es mangelt also nicht an Ideen, wie man den Kohlenstoffausstoß senken und gleichzeitig den Meeresökosystemen helfen kann. Außerdem soll die handwerkliche Fischerei wieder attraktiv werden und hochwertigen Fisch liefern.
Text und Photos von Cornelia E. Nauen, deutsche Übersetzung von Claudia Mense.