Manfred Stein, Hamburg
Das Internationale Maritime Museum in Hamburg (IMMH) präsentiert dem Besucher eine weltweit einzigartige Knochenschiffsammlung.
Bei dieser Sammlung handelt es sich auch um die weltweit größte, öffentlich zugängliche Sammlung.
Der Hauptteil der Knochenschiffmodelle befindet sich in dem Land, in dem die Künstler des Klassizismus in Gefangenschaft diese herrlichen Kunstobjekte geschaffen haben, nämlich in England (Fig.1 und 2).
Die von Peter Tamm im Laufe von Jahrzehnten zusammengetragene Knochenschiffsammlung besticht durch ihre Vielfalt. So sieht der Besucher der Ausstellung ein Knochenschiffmodell, das mit 16,5 cm Länge zu den kleineren Modellen gehört, er ist beeindruckt von der US-amerikanischen Fregatte CHESAPEAKE mit ihren stolzen 144 cm Länge (Fig. 3).
Bei genauer Betrachtung erkennt der Besucher bei einigen Modellen rechts– und linksgeschlagene Takelage. Er wird feststellen, dass bei vielen Modellen historisch korrekt das stehende Gut (Wanten, Stage) linksgeschlagen ist, das laufende Gut (Fallen, Pardune) hingegen rechtsgeschlagen ist.
Wer genau hinschaut, wird feststellen, dass die Galionsfigur der wunderbar gebauten und verzierten LA SIRÈNE ein antiker weiblicher Krieger ist (Fig. 4).
Als Überraschung mag gelten, dass eines der schönsten und außergewöhnlich exakt gearbeiteten Knochenschiffe der Sammlung Peter Tamm große stilistische Ähnlichkeit mit der HMS VICTORY in ihrer ursprünglichen Form von 1765 aufweist. Dabei handelt es sich um das unter einer Glashaube stehende Linienschiff 1. Ranges in der Vitrine g (Fig. 5). Vermutlich ist es dem Schutz der Glasglocke zu verdanken, dass wir dieses Schiffsmodell heute noch in seinem strahlenden Weiß sehen können und die Original-Takelage aus geflochtenem/geschlagenem Menschenhaar im Detail studieren können.
Ihr „Schwesterschiff“, das wohl berühmteste Knochenschiffmodell der HMS VICTORY, befindet sich heute im United States Naval Academy Museum – Annapolis, Maryland.
Leitgedanke bei der Vorstellung der individuellen Knochenschiffmodelle aus der Ausstellung in Buchform war für mich die Analyse von Stilmerkmalen, die überwiegend vom Kunststil der Entstehungszeit, dem Klassizismus, geprägt sind. Ich hoffe, dass es mir mit diesem Buch gelungen ist, dem Leser die Schönheit der einzelnen Modelle nahezubringen. Diese vor mehr als 200 Jahren entstandenen Kunstobjekte lassen uns teilhaben an den Freuden und der Genugtuung, die der Erbauer während der Erschaffung seines Werkes gehabt hat.
Für ihn war es ein Mittel, dem täglichen Einerlei in der Gefangenschaft eine Struktur zu geben. Mit seinem fertiggestellten Schiffsmodell konnten er oder seine Arbeitsgruppe beachtliche Verkaufserlöse erzielen, um den tristen Alltag mit einer Extraration Tabak oder Tee, oder vielleicht auch mit neuem Werkzeug zu verschönern.
Alle Abbildungen sind von Manfred Stein. Die bibliographische Referenz seines Buches über Knochenschiffe aus der Epoche der Napoleonischen Kriege ist:
Stein, Manfred 2015. PRISONER OF WAR BONE SHIP MODELS – Treasures from the age of the Napoleonic Wars, Hamburg, Koehler, ISBN 978-3-7822-1205-2
Besuchen Sie die detaillierte Webseite des Autors für weitergehende Informationen: www.pow-boneships.de