Beitragsseiten

Der von den europäischen Institutionen gewählte Leitgedanke der Missionen zielt darauf ab, die großen gesellschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen, indem die Mobilisierung zahlreicher Akteure, die transdisziplinär arbeiten, erleichtert und eine breite Palette von Finanzierungsinstrumenten von der europäischen bis zur lokalen Ebene kombiniert werden. Das zweite Treffen des Missions-Forums am 5. März, das vom Vorsitzenden des Missions-Ausschusses, Pascal Lamy, eröffnet wurde, zeigte, dass es hierbei nicht nur um hehre Wünsche, sondern auch um konkrete Maßnahmen geht, die den Wandel vorantreiben. Die ganze Woche war ausgefüllt mit Präsentationen und Networking und einer starken Präsenz von engagierten weiblichen Führungskräften, die sich nicht scheuten, dort aufzutreten, wo es wichtig war. Nachfolgend einige Eindrücke von den Veranstaltungen.

Lamy legte großen Wert darauf, die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf die Umsetzung greifbarer Maßnahmen zur Sanierung der Meere und Flüsse zu lenken. Er erklärte, dass die Planung vor vier Jahren ernsthaft begonnen habe. Das Missions-Forum im vergangenen Jahr war noch weitgehend ein Wunschkonzert, da die ersten Projekte gerade erst in Angriff genommen wurden. Nun aber sei der gesetzliche Rahmen vorhanden, und das vom Europäischen Parlament verabschiedete Gesetz zur Wiederherstellung der Natur sei das jüngste Element, das Europa auf den Weg bringe. Bis 2030 sollen 20 % der geschädigten Ökosysteme wiederhergestellt werden, als Versicherung für die Zukunft in Zeiten des Klimawandels, des Massenaussterbens und anderen Problemen. Eine große Anzahl von Projekten und Initiativen sei nun im Gange, die zusätzliche finanzielle Mittel und mehr "als die üblichen Verdächtigen", wie er es ausdrückte, nutzten.

Die große Zahl der Redner lief zu Hochform auf, unterstützt von der ansteckend begeisterten Moderatorin Katrina Sichel. Eingestreute Fragen an das Publikum via Slido luden bei jedem Schritt der Agenda zum Feedback der Teilnehmer ein.

 

In der ersten "operativen Sitzung" mit dem Titel "Wiederherstellung von Meeres- und Süßwasserökosystemen" sprachen Verantwortliche für die Umsetzung von Lösungen in den Leuchttürmen der Mission im Rahmen von Charta-Aktionen. Sie luden das Publikum ein, über Slido Kommentare abzugeben und Fragen zu stellen. Es folgte eine Diskussionsrunde, die sich mit der Beseitigung oder Verhinderung der Meeresverschmutzung auf verschiedenen Ebenen befasste.

Zwei langjährige Bemühungen wurden mit dem Europäischen Preis für Meeresschutzzonen ausgezeichnet: das Naturschutzgebiet Torre Guaceto in der Nähe von Brindisi in Apulien, Italien, und das Meeresschutzgebiet Côte agathoise an der französischen Mittelmeerküste.

Die Nachmittagssitzungen konzentrierten sich vor allem auf die Möglichkeiten des Übergangs zu einer Kreislaufwirtschaft, die allerdings größtenteils noch in den Kinderschuhen steckt. Mehrere Referenten betonten die Notwendigkeit, Initiativen zu bündeln und zu beschleunigen, um die Ziele zu erreichen.

 

 

Die Veranstaltung zum Thema Wissensnetzwerke gab einen Einblick, wie Bürgerinnen und Bürger in eine Reihe von Initiativen eingebunden werden können, um integrierte Lösungen zu fördern, die über Umweltbelange hinausgehen und auch soziale und wirtschaftliche Fragen berücksichtigen. Die Erfahrung zeigt, dass eng gefasste Ansätze nur begrenzt greifen und zu suboptimalen Ergebnissen führen. Angesichts des Rückgangs der Gesamtfischereiproduktion in den europäischen Gewässern von etwa 7 Millionen Tonnen im Jahr 2017 auf die Hälfte im Jahr 2021 ist kein Platz für Selbstzufriedenheit. Die Regenerierung muss erheblich beschleunigt werden, um den Verbrauch gesunder Lebensmittel aus den Meeren aufrechterhalten zu können. Europa kann nicht davon ausgehen, dass sein wachsendes Defizit unbegrenzt aus anderen Teilen der Weltmeere zu decken ist.

Die letzte Podiumsdiskussion "Mission Ocean and Waters in action" befasste sich mit der Einbeziehung junger Menschen und bot einen Überblick über die Koordinierung und Unterstützung der vier regionalen Leuchtturm-Initiativen: Mittelmeer, Ostsee-Nordsee, Atlantik-Arktis und Donau. Cécile Nys vom Projekt PREP4BLUE erläuterte die Mechanismen der horizontalen Koordinierung und Unterstützung der Mission.

John Bell, stellvertretender Missionsmanager und Direktor von Healthy Planet, GD Forschung und Innovation, Europäische Kommission, waren abschließende Bemerkungen vorbehalten. Er ermutigte alle Beteiligten, den Blick nach vorne zu richten, damit die Umsetzung der Mission den Wachwechsel sowohl im Europäischen Parlament bei den Wahlen im Juni 2024 als auch in der neuen Kommission, die im Oktober dieses Jahres ihr Amt antritt, überdauert.

Wie war die allgemeine Einschätzung des Tages bei Slido? Die Stunde der Wahrheit mit nahezu 100 Teilnehmern, die ihre Wertschätzung zum Ausdruck brachten, zeigte, dass es insgesamt eine lohnende Übung war.

Die offizielle Website kann hier aufgerufen werden. Deutsche Übersetzung von Claudia Mense.

Weiter unten gibt's einige weitere Bilder vom Photographen der Mission:

 


Wie geht es weiter mit den europäischen Meeren? 6. März 2024

Charlina Vitcheva, Generaldirektorin der GD MARE der Europäischen Kommission, war Gastgeberin für diesen Tag der Reflexion über mögliche und wünschenswerte Zukunftsbilder. Angesichts des bevorstehenden neuen politischen Zyklus werden sich die neuen Amtsinhaber, unabhängig von der Zusammensetzung des Europäischen Parlaments und der Kommission, mit einer dreifachen Krise auseinandersetzen müssen: dem Verlust der biologischen Vielfalt, der Verschmutzung und dem Klimawandel. Als vierte Herausforderung kann man die Entwicklung integrativer und sozial gerechter Lösungen hinzufügen.

Manuel Barange, stellvertretender Generaldirektor für Fischerei der FAO, fasste in seiner Einführung das globale Gesamtbild zusammen. Er beklagte das Wiederaufkommen des Hungers, von dem derzeit mehr als 700 Millionen Menschen weltweit betroffen sind. Während die Produktion von wild lebenden Meeresfrüchten und Aquakulturprodukten heute nominell 20,2 kg Fisch und Meeresfrüchte pro Person und Jahr ermögliche, erreichten die afrikanischen Länder nur etwa die Hälfte davon. Wenn der Kontinent das derzeitige Niveau des Nährwerts von Fisch erreichen wollte, wäre bis zum Jahr 2050 eine Steigerung um 284 % erforderlich.

Die Aquakultur bestand zumeist aus Süßwasserfischen, die relativ niedrig im Nahrungsnetz angesiedelt sind, wie z. B. Karpfen, die 62,2 % der weltweiten Gesamtmenge ausmachen.

In diesem Jahr, in dem die Freiwilligen Leitlinien für die Sicherung der nachhaltigen Kleinfischerei ihr zehnjähriges Bestehen feiern, kann man ihre Bedeutung für den Lebensunterhalt, die Ernährungssicherheit, die Arbeitsplätze und die maritime Kultur gar nicht hoch genug einschätzen. Man darf nicht vergessen, dass der Handel mit Fischereierzeugnissen für viele Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen (LMIC) die größte Einkommensquelle darstellt.

Die Einbeziehung der Erhaltung der biologischen Vielfalt, der Regeneration der Meere und der globalen Ziele zur Beseitigung des Hungers müssen ganz oben auf der politischen und operativen Agenda stehen.

In ihrer Antwort wies Charlina Vitcheva darauf hin, dass die Spannungen in der Welt zunehmen. Außerdem wurden die Zielvorgaben in maritimen Angelegenheiten verschoben. Als Beispiele nannte sie: die USA und andere Länder, die ihre Festlandsockel erheblich ausdehnen, Norwegen, das trotz seiner Rolle als Vorsitzender des Ozean-Panels der Länder, die den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Meere verbessern wollen, mit dem Tiefseebergbau beginnt, und China, das seine gewaltige Fernflotte nicht nur in Westafrika und entlang der südamerikanischen Küste einsetzt. Europa habe seine eigenen Spannungen und kämpfe darum, ein stabiler internationaler Partner zu bleiben, um bei der wichtigen Agenda der Regeneration der Meere voranzukommen. Sie wies darauf hin, dass den sozialen und wirtschaftlichen Dimensionen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden müsse. Dazu gehörten die Überalterung der Bevölkerung im Allgemeinen und die Schwierigkeiten, junge Menschen z.B. für die Fischerei zu gewinnen, wenn die Ressourcen zurückgehen. Darüber hinaus mache der Wettbewerb um Raum für viele verschiedene Aktivitäten die Verwaltung der exklusiven Wirtschaftszonen nicht einfacher.

Um über diese und andere Herausforderungen nachzudenken, wurden vier thematische Diskussionsrunden in kleineren Gruppen angesetzt, die sich mit denselben Fragen beschäftigten. Die Themen waren:

- globale Antriebskräfte
- Wirtschaft
- Gesellschaft
- Innovation.

Alle Teilnehmer wurden einer Gruppe zugewiesen, in der jeder Teilnehmer ein anderes Thema behandelte und die wichtigsten Erkenntnisse für die künftige Planung mitbrachte. Die Berichterstatter und Moderatoren jeder Gruppe fassten diese Kernpunkte dann zusammen, und vier Hauptberichterstatter trugen die Synthese jedes Themas im Plenum vor.

Bei buchstäblich allen Themen kristallisierte sich die Notwendigkeit des bürgerschaftlichen Engagements und der Förderung integrativer Ansätze als roter Faden heraus, flankiert von spezifischeren Aspekten für jedes Thema und jede Region in Europa. Mehr als 100 Personen nahmen an den Gruppendiskussionen teil und brachten ihre Erfahrungen und Erkenntnisse ein.

Die Kommission verspricht, den Prozess zu dokumentieren und nach dem Treffen eine Zusammenfassung zur Verfügung zu stellen.

Deutsche Übersetzung von Claudia Mense.

 


Workshop zum Thema Blue Parks, 7. März 2024

Andrea Strachinescu-Olteanu von der GD MARE der Europäischen Kommission eröffnete den Workshop und betonte, dass die derzeitige Kommission sehr an Meeresschutzgebieten (MPAs) als Mittel zur Regeneration des geschädigten Ozeans interessiert sei. Solange Horizon Europe, das große Forschungsrahmenprogramm, laufe, werde es Mittel für dieses Ziel geben. Es sei wichtig, Ergebnisse vorzuweisen, um die Chancen zu erhöhen, dass diese Unterstützung von zukünftigen Entscheidungsträgern und Programmen aufrechterhalten werde.

Gregory Fuchs von der Plattform MIP Ocean erinnerte an einige der Schlussfolgerungen eines vorbereitenden Workshops im Dezember 2023. Obwohl 12 % der europäischen Gewässer als Schutzgebiete deklariert worden waren, erwiesen sich weniger als ein Prozent als tatsächlich geschützt, die übrigen 11 % waren lediglich auf dem Papier existierende Parks. Es sei wichtig, sich gemeinsam für eine Änderung dieser Situation einzusetzen. Nur so könne sichergestellt werden, dass die gesellschaftlichen Vorteile wirklich funktionierender Meeresparks sowohl den Entscheidungsträgern als auch den Bürgern zugute kämen, die an den ermittelten Stellschrauben arbeiten.

Alberto Zocchi von CINEA, der Exekutivagentur für viele Projekte, die zur Mission "Restore our Ocean and Rivers" (Wiederherstellung unserer Meere und Flüsse) gestartet im Jahr 2021 beitragen, gab einen Überblick. Er half den Teilnehmern, die sich auf die Umsetzung der Aktion konzentrierten, einige wichtige politische Ziele und die wichtigsten Umsetzungsinstrumente zu finden. Gemäß der EU-Biodiversitätsstrategie zur Unterstützung der UN-Agenda 2030 mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs), den Aichi-Zielen im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) und dem kürzlich verabschiedeten Globalen Biodiversitätsrahmen sollen 30 % der europäischen Land- und Meeresflächen bis 2030 geschützt werden. Von diesen wiederum sollten 10 % streng geschützt werden.

Es wurden fünf Missionen ausgehandelt, um wichtige gesellschaftliche Ziele zu erreichen und alle Arten von Umsetzungsmechanismen von der europäischen bis zur lokalen Ebene zu nutzen. Die Mission "Wiederherstellung der europäischen Meere und Gewässer bis 2030" war eine der fünf. In vier großen Unterregionen wurden Pilotprojekte durchgeführt, um mögliche Lösungen für die Wiederherstellung stark geschädigter Ökosysteme auf sozial und wirtschaftlich nachhaltige Weise zu demonstrieren. Zu den wichtigsten Finanzierungsinstrumenten gehörten das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation Horizon Europe, LIFE, das EU-Finanzierungsinstrument für das Umwelt- und Klimaaktionsprogramm, und EMFAF, der Europäische Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds zur Unterstützung der Gemeinsamen Fischereipolitik. Ein Bericht zur Bewertung von rund 800 Projekten, die im Zeitraum 2013 bis 2023 finanziert wurden, ermöglichte die Ermittlung von Lücken und sollte dazu beitragen, Ressourcen und Aktivitäten entsprechend auszurichten.

Vor diesem Hintergrund wurde der restliche Tag dazu genutzt, von den Projektleitern zu erfahren, wie sie den Regenerationsauftrag angehen und welche Erfahrungen sie bisher gesammelt haben. Ein immer wiederkehrendes Anliegen war, dass der übermäßige Druck durch menschliche Nutzung, verringert werden müsse, damit die Wiederherstellung eine Chance hat. Diese aus der Nutzung resultierenden Belastungen hatten zu der Umweltzerstörung geführt, die soziale und wirtschaftliche Probleme nach sich zog. Wie ein Redner bemerkte: Wenn das Haus brennt, kann man es nicht wieder aufbauen, sondern man muss erst das Feuer löschen. Von den vielen interessanten Berichten können wir nur einige erwähnen, wobei die vorläufigen Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen sind, da die meisten Projekte noch nicht einmal die Hälfte ihres Programms durchlaufen hatten.

Jannica Haldin, Projektkoordinatorin bei HELCOM, der Kommission für den Schutz der baltischen Meeresumwelt mit Sitz in Helsinki, Finnland, hatte ihre siebenjährige Amtszeit gerade hinter sich. Sie hatte bereits die Nase voll von den vielen unterschiedlichen nationalen Vorschriften, lokalen Interessen und dem ständig wachsenden Druck auf die Umwelt. In erster Linie handelte es sich dabei um unkontrollierte landwirtschaftliche Abwässer, die zu immer mehr toten Zonen führten, um übermäßigen Fischfang, der z. B. zum Zusammenbruch der Dorsch- und Heringsbestände in der westlichen Ostsee führte, um Vergiftungen durch rostende Munitionsbehälter aus dem Zweiten Weltkrieg, Geisternetze auf Schiffswracks und vieles mehr. Der Tourismus hat in den letzten zehn Jahren um 40 % zugenommen, könnte aber noch mehr an Bedeutung gewinnen, wenn die Umwelt in einem besseren Zustand wäre. In ihrer ansteckend freundlichen und energischen Art betonte sie, dass es am erfolgversprechendsten sei, mit denjenigen zusammenzuarbeiten, die am meisten von einer gesunden Ostsee profitieren. Sie seien bereit, Rechtsvorschriften zu unterstützen, die Maßnahmen zur Schadensbegrenzung durchsetzen. Ihre Kernbotschaft lautete: Es ist am besten, viele einfache Dinge zu tun, damit die Vorteile sichtbar werden und so mehr Menschen und Organisationen dazu gebracht werden, sich zu engagieren.

Lorenzo Bramanti vom LECOB-CNRS in Frankreich plädierte für mehr Wissenschaft bei der Entscheidungsfindung, um die Kostenwirksamkeit zu verbessern. Er veranschaulichte dies anhand eines Beispiels über die immer beliebter werdenden künstlichen Riffe zur Wiederherstellung von Lebensräumen, die durch die starke Grundschleppnetzfischerei zerstört wurden, aber auch der Diversifizierung von Lebensräumen für Meeresarten. Sie seien am wirksamsten, wenn sie in Gebieten mit Strömungen, den Autobahnen des Larven- und Planktontransports, angelegt würden. Die sorgfältige Standortwahl für Schutzgebiete sollte sich auf funktionale Ökosystemeinheiten konzentrieren, nicht auf isolierte Arten, auch wenn solche ikonischen Arten die Kommunikation mit der Öffentlichkeit erleichtern könnten. Er warnte davor, dass eine zu starke Vereinfachung aus Gründen der Zweckmäßigkeit in der Kommunikation mit Bürgern oder Politikern nach hinten losgehen könnte. Es sei wichtig, die Komplexität und die Zeit für die Wiederherstellung von Ökosystemen zu akzeptieren und anzunehmen, da dies die wichtigsten Merkmale von Ökosystemen seien, um ihre Robustheit wiederzuerlangen. Kurz gesagt, Meeresschutz und Regeneration sollten auf wissenschaftlich fundierten Protokollen beruhen, wobei der Schwerpunkt auf der Sicherung des Nutzens für die Bürger liegen sollte, um einen gesellschaftlichen Konsens und Unterstützung zu gewährleisten.

Vedran Nikolić vom Referat Naturschutz in der Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission ist ein Veteran der Verhandlungen rund um das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) auf verschiedenen Ebenen, in Europa und weltweit. Er wies auf die große Umsetzungslücke zwischen den Ambitionen in den Verträgen und der Realität hin. Eine mangelhafte Umsetzung hat dazu geführt, dass Arten erst sehr selten werden und dann aussterben. Er räumte ein, dass es Zeit brauche, um die Bürger einzubeziehen, dass es aber unbedingt notwendig sei, dieses Engagement deutlich zu beschleunigen. In Europa wurden etwa 6000 Meeresschutzgebiete ausgewiesen, die Hälfte davon Natura-2000-Gebiete, aber ihr aktueller Zustand und die Wirksamkeit der Verwaltung wurden nicht systematisch bewertet. Da es keine Ergebnisindikatoren gibt, habe niemand einen präzisen Gesamtüberblick.

Er betonte außerdem, dass es von entscheidender Bedeutung sei, den vom Menschen ausgehenden Nutzungsdruck zu verringern, und zwar nicht nur in den Schutzgebieten, sondern auch außerhalb der 30 %, die im Rahmen internationaler und regionaler Abkommen geschützt werden sollen. Diese nicht formell geschützten Gebiete müssten nachhaltig bewirtschaftet werden und dürften nicht ausgebeutet werden, wenn die Gesamtergebnisse erreicht werden sollen. Er war der festen Überzeugung, dass das neue europäische Gesetz zur Wiederherstellung der natürlichen Lebensgrundlagen die Merkmale eines Wendepunkts aufweist, auch wenn es in den letzten Schritten durch das Europäische Parlament und in den Verhandlungen mit den EU-Mitgliedstaaten etwas verwässert wurde. Seine abschließende Botschaft war eine Ermutigung, mehr zu tun und die Vorteile zu erzielen: Reduzieren Sie den Druck auf die Natur und Sie werden erste Anzeichen einer Erholung sehen.

In den Diskussionen während der Pausen machte Mundus maris auf ein geplantes Rollenspiel aufmerksam, in dem es darum geht, wie ein potenziell umstrittenes Meeresschutzgebiet in einem fiktiven Land funktionieren kann. Die Entwicklung eines solchen Rollenspiels ist die Hauptaufgabe der aktuellen Praktikantin bei Mundus maris, Monica Facci, einer Masterstudentin in Umwelt- und Geisteswissenschaften an der Universität Cà Foscari in Venedig. Ausgehend von den Erfahrungen im Publikum und durch Interviews mit verschiedenen Interessenvertretern wird sie das Material für die Charaktere erarbeiten, die junge Erwachsene in Schulen oder Universitäten verkörpern können, um Wissen über den Schutz der biologischen Vielfalt und verschiedene Positionen gegenüber MPAs zu sammeln. Ebenso wichtig ist die emotionale Auseinandersetzung in einer moderierten, respektvollen Debatte, um einen gesellschaftlichen Konsens zu entwickeln. Nach der Erprobung wird das Material all jenen zur Verfügung stehen, die das Rollenspiel z.B. für den Weltozeantag am 8. Juni oder zu einem anderen Anlass aufführen möchten. Kontakt info[a]mundusmaris.org.

Mehrere Redner machten deutlich, dass sich überschneidende sektorale Rechtsvorschriften ein großes Hindernis für einheitlichere Vorschriften darstellen, die ein besseres Gleichgewicht zwischen Kosten und Nutzen für Mensch und Natur herstellen könnten.

Aus allen Regionen Europas brachten die Redner ähnliche Botschaften und Erfahrungen mit: Engagieren Sie sich mit Gemeinden, Fischern, normalen Bürgern, mit all denen, die von der Gesundheit der Meere betroffen sind. Wissen ist notwendig, aber nicht ausreichend. Wir brauchen ein Engagement der Herzen und Köpfe. Beginnen Sie damit, den Beeinträchtigungen durch intensive Nutzung Einhalt zu gebieten oder sie zu verringern, finden Sie Lösungen zur Wiederherstellung lokaler Lebensräume, zeigen Sie die Vorteile einer gesunden Umwelt auf.

Emanuel Goncalves, leitender Wissenschaftler und geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Stiftung Oceano Azul, wies eindringlich auf die Notwendigkeit hin, Artikel 11 der Gemeinsamen Fischereipolitik zu ändern. Die Praxis habe gezeigt, dass es äußerst schwierig oder sogar unmöglich sei, umweltrechtliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wenn ein anderer EU-Mitgliedstaat in demselben Gebiet Fischereiinteressen habe. Er bekräftigte, dass wir uns den existenziellen Krisen des Verlusts der biologischen Vielfalt und des Klimawandels stellen müssen. Eine weitere Verzögerung sei keine Option, und er forderte einen beschleunigten Wandel, da wir einfach nicht weitere 40 Jahre Zeit hätten, um noch ein paar Prozent des Ozeans zu schützen, wie wir es in der Vergangenheit getan hätten.

Am Ende eines anregenden Tages kündigte Elisabetta Balzi, Leiterin des Referats Ozeane und Gewässer der Generaldirektion Forschung und Innovation der Europäischen Kommission, an, dass es bald mehr Gelegenheiten geben werde, das während des Austausches Gelernte in die Praxis umzusetzen: Die nächste Aufforderung zum Einreichen von Vorschlägen werde sich auf Meeresschutzgebiete (Blue Parks) konzentrieren und darauf, wie man sie zum Funktionieren bringt.

Deutsche Übersetzung von Claudia Mense.

 


 

Ozean-Kompetenz für alle, 8. März 2024

Was für ein schöner Auftakt mit einem improvisierten Auftritt von Stand-up-Comedians, die ihre Compagnie passenderweise 'Improbably Performance' nennen. Sie stellten die oft absurden und widersprüchlichen "Argumente" und Meinungen dar, die man auf einigen Social-Media-Kanälen finden kann, als wollten sie das Publikum fragen: "Sind Sie gut vorbereitet und informiert oder laufen Sie Gefahr, auf einen geschickt präsentierten Humbug hereinzufallen? Vor allem aber luden sie mit ihren scheinbar unbeschwerten Stunts dazu ein, auch mal ein bißchen Spaß zu haben und sich nicht von den zunehmend dramatischen Berichten über den Zustand der Meeresumwelt und die Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels deprimieren zu lassen. Humor ist schließlich ein guter Schutz gegen Defätismus und ein Lachen gibt uns allen Energie, um neue Antworten auf die Herausforderungen zu finden.

Charlina Vitcheva, Generaldirektorin der GD MARE, sprach anschließend in einer Podiumsdiskussion mit jungen Frauen, die sich für das Meer einsetzen: Rada Pandeva vom Thalassophile Project, Stavrina Neokleus von Surfrider Europe und Leitizia Artioli vom Venice Climate Change Pavilion. Leider trugen alle Teilnehmerinnen häufig zu gut einstudierte Aussagen vor, die mit etwas mehr Spontaneität eine größere Wirkung gehabt hätten. Das tat der Relevanz der Botschaften aber keinen Abbruch.

In Sitzung 1 zum Thema Ozean-Kompetenz als Voraussetzung für eine nachhaltige blaue Wirtschaft wurden Fragen zu den wichtigsten Bedingungen gestellt, die zu einer nachhaltigen blauen Wirtschaft beitragen können, aufbauend auf den Erfahrungen mit der Stärkung von Ozean-Kompetenz und entsprechenden Fähigkeiten. Die sogenannte blaue Wirtschaft ist natürlich ein viel benutzter und häufig missbrauchter Begriff, der manchmal als Rechtfertigung für Infrastrukturen herhalten muss, die mehr Natur zerstören, als sie schützen oder gar wiederherstellen. Zur Einstimmung präsentierte Evelyn Paredes Coral von der Universität Gent die wichtigsten Ergebnisse einer Studie über Fähigkeiten und Einstellungen in maritimen Berufen. Wissen ist wichtig, um einen Job zu bekommen. In den Interviews hatten die Forscher die Einstellung zur Nachhaltigkeit der Ozeane, die Frage, was als legitime Nutzung des Ozeans angesehen wird, und die Ausübung ozeanfreundlicher Verhaltensweisen untersucht, die möglicherweise auf einem persönlichen Interesse am Ozean beruhen. Die Ergebnisse der Studie zeigten deutlich, dass das Wissen über den Ozean nicht ausreicht, um eine positive Einstellung zu erzeugen. Dies wurde auch von anderen Diskussionsteilnehmern bestätigt, die ebenfalls aufzeigten, dass Unternehmen bei ihren Mitarbeitern neben den "hard skills" auch die "soft skills" fördern müssen, dass "grüne" Fähigkeiten und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit aktiv gesucht werden müssen. Farhat-Un-Nisá Bajwa, Centro de Investigação Marinha e Ambiental, betonte ebenfalls, dass eine sektorübergreifende Zusammenarbeit, nicht nur innerhalb enger technischer Grenzen, notwendig sei.

Ruben Eiras, Generalsekretär des Fórum Oceano, vertrat die Ansicht, dass insbesondere handwerkliche Fischer bereits über ein großes interdisziplinäres Wissen verfügen müssten und daher eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Zukunft spielen sollten.

 

In der nächsten Sitzung ging es darum, den Ozean ins Klassenzimmer zu bringen. Francesca Santoro vom IOC/UNESCO plädierte besonders eindringlich dafür, nicht nur das Wissen über die Ozeane zu fördern, sondern auch Emotionen, humanistische Werte, positive Einstellungen, bürgerschaftliches Engagement und Führungsqualitäten. Andere stimmten dem zu und ergänzten, dass es wichtig sei, mit den Gemeinden, die oft für die Grundschulen zuständig sind, zusammenzuarbeiten und die Lehrer zu unterstützen. Alle waren sich einig, dass ein fächerübergreifender Unterricht wünschenswert wäre, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Auf diese Weise könnten auch die häufigsten Probleme wie Zeitmangel, fehlende finanzielle Mittel und andere Zwänge im Zusammenhang mit der Struktur des Lehrplans zumindest ansatzweise angegangen werden. Melita Mokos, Assistenzprofessorin an der Universität Zadar, erinnerte die Zuhörer auch daran, dass zwar viele Lehrmittel auf Englisch zur Verfügung stünden, dies aber bei vielen anderen Sprachen nicht der Fall sei und dass es den Lehrern oft an praktischer Ausbildung in diesen anderen Sprachen fehle.

In den beiden Nachmittagssitzungen diskutierten Künstler, Medienvertreter und Influencer darüber, wie man Bürger und junge Menschen am besten für die Ozean-Kompetenz begeistern kann. Sie stellten eine Reihe von Beispielen vor, um zu zeigen, was eine ansprechende Geschichte ausmacht. Wichtig sind vor allem fundierte Fakten, die so erzählt werden, dass ein menschliches Schicksal ein Gesicht bekommt und nicht in kalten statistischen Zahlen verschwindet.

Zivilgesellschaftliche Bewegungen auf der Straße, in den sozialen Medien und vor Ort, wie die Kampagne zur Unterbindung des Handels mit Haifischflossen mit mehr als einer Million Unterschriften, die die Petition unterstützten. Die Kampagne gegen den Tiefseebergbau hat dazu beigetragen, dass im Europäischen Parlament für ein Moratorium gestimmt wurde. Die gemeinsamen Anstrengungen vieler Naturschutzorganisationen, die die neuesten Forschungsergebnisse über die Schädlichkeit der Grundschleppnetzfischerei für die Meeresumwelt und das Klima verbreiteten, hatten sicherlich einen Einfluss auf die jüngste Entscheidung, die Grundschleppnetzfischerei in Meeresschutzgebieten im Rahmen der EU-Habitatrichtlinie zu verbieten.

Die andere Podiumsdiskussion war eher zukunftsorientiert und brachte die Ideen von Kindern, Jugendlichen, Bürgern und dem Publikum, Wünsche/Versprechen aus dem #MakeEUBlue-Netz, Ergebnisse anderer Veranstaltungen der Europäischen Ozeantage sowie die Vorstellungen der EU-Mission Ocean & Waters und der UN-Dekade der Meereswissenschaften zusammen. An Ideen, ob konventionell oder nicht, herrscht kein Mangel. Der Schwerpunkt muss sich darauf verlagern, mehr von diesen Ideen im täglichen Leben, in Schulen, bei Kunstveranstaltungen, in öffentlichen und privaten Einrichtungen, in Labors und auf der Straße zu verwirklichen.

Die Ozean-Kompetenz-Inseln im ersten Stock boten viele weitere Beispiele für gute Initiativen zur Nachahmung und Zusammenarbeit (siehe Fotos rechts). Das war ein Tag, um die Akkus wieder aufzuladen und mit neuer Energie weiterzuarbeiten.

Alle Fotos von Mundus maris asbl, sofern nicht anders angegeben. Wenn Sie mehr Fotos und die Aufzeichnungen der Podiumsdiskussionen des Tages sehen möchten, klicken Sie hier.

Deutsche Übersetzung von Claudia Mense.